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Welchen Einfluss haben „Reiter und Pferd in mir“ auf meine Entscheide?

Wenn Pferde durchbrennen oder Reiter*innen die Zügel zu fest in der Hand haben, kommt es meistens nicht gut heraus: Keine Angst, liebe Leserin, lieber Leser, hier geht es nicht um Pferde und Reiten im wörtlichen Sinn, sondern um Bauchgefühl und Verstand. Schauen wir doch mal, wie sich Pferd und Reiter in jedem von uns erkennen lässt. Vielleicht erkennen Sie sich in einer der folgenden Geschichten wieder?

Wenn das Pferd durchbrennt

Mira macht es sich gemütlich auf ihrem Sofa: Endlich Freitagabend, endlich ausspannen. Seit langer Zeit hat sie wieder mal ein Wochenende ohne Pläne. Das ist auch bitternötig, denn Mira hat die letzten drei Wochen fast Tag und Nacht an ihrem neuen Projekt als Architektin gearbeitet, um rechtzeitig die Pläne für den «Neubau Schulhaus» abzugeben. Das Projekt wurde als Wettbewerb ausgeschrieben und Mira rechnet sich gute Chancen aus. Gemütlich zum Ausruhen installiert, gerade als sie ihre Lieblingsserie starten möchte, ruft ihre beste Freundin an: «Hallo Mira, kommst du mit zur Club Party? Du bist doch immer so spontan!» Mira hört sich zu ihrem eigenen Erstaunen sagen: «Ja sicher, gern!» Erst als sie im Badezimmer vor dem Spiegel steht, kommen in ihr Zweifel hoch: «Was für eine Party ist das überhaupt? Kenne ich da jemanden? Ich wollte doch den einen Abend für mich und gemütlich ausruhen. Es ist schon Ende Monat und mein Konto ist ziemlich leer. Nun kann ich mir auch die neuen Schuhe nicht mehr leisten.  Hätte ich doch nur «Nein» gesagt!»

Die Geschichte könnte aber auch so ausgehen:

Wenn nur der Reiter entscheidet

Dieselbe Geschichte nochmals: Wochenende, die Aussicht auf Ausspannen, die Freundin ruft an und Miras Reiterin – der Kopf – sagt sofort «Nein! Ich will mir noch neue Schuhe kaufen und kann und will mir die Party im teuren Club nicht leisten.» Die Freundin reagiert enttäuscht, versteht Mira jedoch und die beiden verabschieden sich. Als Mira wieder auf dem Sofa sitzt, beschleichen sie Zweifel: «Eigentlich könnte ich die Schuhe ja auch nächsten Monat kaufen.» Der «Hammerschlag» kommt aber dann, als sie auf einem der sozialen Netzwerke ein Foto der Party aus dem Club sieht: Lauter gut gelaunte Leute… «Warum sitze ich eigentlich hier allein auf dem Sofa?», sagt Mira halblaut zu sich selbst. Das Gefühl, etwas verpasst zu haben, steigt in ihr hoch.

Was ist passiert?

In der ersten Geschichte ist das Pferd mit Mira durchgebrannt. Mira ist eine unternehmungslustige und spontane junge Frau. Natürlich ist es toll, spontan mit der Freundin auf eine Party zu gehen, aber eigentlich hätte sie auch ausspannen und Geld sparen wollen. Ihr Pferd ist regelrecht mit ihr durchgebrannt und nur aus einem Lustprinzip heraus sofort losgaloppiert, um seinen eigenen Spass zu haben. Der Reiter – Miras Verstand – war in diesem Fall zu langsam, er kam erst nach dem Telefongespräch zum Zug: «Also eigentlich hast du dir ja was anderes vorgenommen: ausruhen und Schuhe kaufen. Du kannst einfach nicht «Nein» sagen!» Dieser Teil wurde somit im Entscheid schlichtweg nicht einbezogen.

In der zweiten Geschichte siegt der Reiter. Er hat durchgezogen, was sich Mira vorgenommen hatte. «Da gibt es keine Ausnahme und die Freundin kann noch so nett fragen. Geplant ist geplant, da wird jetzt nicht davon abgewichen!» Die Bedürfnisse des Pferdes – Miras Bauchgefühl – «vielleicht macht es ja doch Spass…» wurden vom Reiter ignoriert.

Solche Situationen kommen immer wieder vor – zu schnell geantwortet und schon ist es passiert, dass entweder das Pferd oder der Reiter gewonnen hat. Der Frust des einseitigen Entscheides ist programmiert.

Was könnte Mira das nächste Mal anders machen?

Wie Miras Geschichte zeigt, kann der Faktor Zeit eine wichtige Rolle spielen: dann nämlich können sich Kopf und Bauch absprechen und ihre Bedürfnisse berücksichtigen. Sowohl Pferd als auch Reiter brauchen Vertrauen, vom anderen gehört zu werden. Die ideale Form von Reiter und Pferd ist es, eine Einheit zu bilden, so dass – wie bei den Indianern – der Reiter ohne Sattel frei mit dem Pferd galoppieren kann.

Eine mögliche Vorgehensweise Entscheide zu treffen  Entscheidung treffen

  1. Um gute Entscheidungen treffen zu können, kann es beispielsweise hilfreich sein, Bedenkzeit auszuhandeln. «Darf ich mir das noch kurz überlegen?» oder «Ich rufe dich in einer Stunde zurück» oder so ähnlich.
  2. Nun ist Raum und Zeit da, um in sich zu kehren und zu erkunden, was genau die Bedürfnisse sind. In unserem Beispiel: Party – der Freundin einen Gefallen tun ­– Schuhe kaufen – ausruhen – unbedingt dabei sein – nichts verpassen…
  3. Wer Spass daran hat, kann gerne herausfinden, welche Bedürfnisse zum Pferd, welche zum Reiter gehören.
  4. Nun können sich Pferd und Reiter absprechen und miteinander verhandeln. Wie fühlt es sich an, wenn ich an die Party gehe? Wie, wenn nicht? Mögliche Entscheide können durchgespielt werden.

Eventuell wäre eine andere Entscheidung gefallen, im Sinne eines Kompromisses: «Ich prüfe nochmals den Kontostand und verzichte halt heute Abend auf die teuren Drinks im Club.» Dann wären Pferd und Reiter im Einklang gewesen. Aber auch wenn zum Schluss derselbe Entscheid gefallen wäre, hätte er sich «einheitlich» angefühlt, da alle Argumente vor dem Entscheid mitberücksichtigt wurden. Der Entscheid fühlt sich dann durchdacht an.

Ursprung

Die Theorie von Pferd und Reiter geht auf Sigmund Freud zurück, der 1923 in seinem Essay «Das Ich und das Es» dieses Bild erstmals verwendete. Ich zitiere sinngemäss: Herrscht der Reiter über das Pferd und hält er dieses mit Gewalt zurück, erweist er dem Pferd auf die Dauer einen schlechten Dienst. Es wird früher oder später entweder rebellieren oder krank werden. Umgekehrt ist es jedoch genauso: Galoppiert das Pferd immer drauflos, heisst, geben wir immer unseren Impulsen nach, dümpelt der Reiter kopflos durchs Leben. Er hat zwar Party, Spiel und Spass, aber ohne Verstand ist er erschöpfungsgefährdet.

Dieser Text wurde 4-händig geschrieben, mit meiner Kollegin und Texterin Katrin Beer, von text-profi in Solothurn. www.text-profi.ch Die Erläuterungen dazu von Catherine Sorg.
Bild, wie üblich, von meiner EOL Kollegin Claudia Esser, manusfactur, aus Dorsten in Deutschland www.manusfactur.de

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in Allgemein Lebenscoaching Neuorientierung | 03. Oktober 2018 | von Catherine Sorg